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Grundlagen - Übersicht
Grundlagen
Zielsetzung
Das Ziel der Neulateinischen Wortliste (NLW) ist die Aufarbeitung von Teilen des Wortbestandes der lateinischen Sprache zwischen 1300 und 1700. Als Neulatein wird hier jenes Stadium der Entwicklung der lateinischen Sprache verstanden, das mit der im Namen der "Renaissance" enthaltenen Rückbesinnung auf das Latein der Antike einsetzt. Damit ist die NLW einerseits zunächst eine Dokumentation des Scheiterns der Bemühungen um die Rückführung der lateinischen Sprache auf 'das' antike Niveau, andererseits ein Nachweis der andauernden Vitalität einer Sprache, in der es schon lange keine 'native speakers' gab. Es handelt sich dabei also nicht nur um einen chronologischen Begriff, sondern auch um einen stilistischen: spezielle Fachterminologien, die sich dem neuen Stilideal entziehen und die Fachsprache des "Mittellatein" weiterverwenden bzw. -entwickeln (dies betrifft u.a. scholastische und philosophische Literatur, ebenso z.B. die musikalische Fachterminologie, die im LML erfaßt wird), bleiben ausgeschlossen. Natürlich gibt es auch Texte aus diesen Fachbereichen, die die sprachlichen Ideale der Humanisten reflektieren (z.B. Ermolao Barbaro's Neufassung des Liber sex principiorum). Einzelne Texte unserer Periode, die (vermutlich) auf Teilbereiche des neulateinischen Vokabulars Einfluß gehabt haben, wie vielleicht der weitverbreitete Malleus maleficarum (1479) von Institoris auf das Vokabular der Magie, werden erfaßt, auch wenn sie selbst von den sprachlichen Idealen der Humanisten nicht oder kaum berührt sind; dies ist eine vorläufige Entscheidung, deren Ergebnisse noch abzuwarten sind.
Ob und wie weit überhaupt zwischen Mittel- und Neulatein unterschieden werden soll, ist immer wieder unter verschiedenen Gesichtspunkten in Frage gestellt worden. Latham hat mit seiner Wordlist das englische Latein zwischen 700 und 1700 als Kontinuum dargestellt. In jüngerer Zeit ist die Existenz einer 'Renaissance' außerhalb Italiens in Frage gestellt worden.* Sicher ist, daß ohne eine differenzierte Chronologie die Ausbreitung der neuen Ideen und der neuen Sprachideale nicht faßbar ist.
Generell ist das Mittellatein in vieler Hinsicht präsent; erstens gehen einzelne Sprachphänomene in jenes Konglomerat ein, welches das Latein der Renaissance öfters ist (z.B. littera in der Bedeutung 'textus, Text, Buch, Fassung'), zweitens verhalten sich auch innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens verschiedene Bereiche der schriftlichen Produktion unterschiedlich zu den neuen Sprachidealen.
Es ist daher ein Ziel der NLW, die Bedingtheit des 'Neu'-Lateins zu erarbeiten und das mittellateinische Erbe des Humanistenlateins in den Texten sichtbar zu machen, in denen es sich in das erwähnte, auf die Antike bezogene Latein integriert. Gerade in Italien darf auch die Rolle der Divina Commedia in der Entwicklung des lateinischen Wortschatzes nicht übersehen werden (vgl. disfavillare). Der auf eine Sprache beschränkte Ansatz der NLW definiert eine im italienischen Neulatein in der Sprachwirklichkeit oft nicht vorhandene Barriere zum gleichzeitigen Volgare (vgl. humanista); existierende Gemeinsamkeiten können nur fallweise durch entsprechende Hinweise dokumentiert werden.
(*) John Monfasani, "Cosa nasconde un nome? Medioevo, Rinascimento, Prima età moderna,"
Vortrag, Rom, Istituto storico italiano per il medio evo, 11. Juni 2004. Monfasani ging allerdings nicht auf die Sprachentwicklung ein.
Eine der wichtigsten Bruchlinien in der Entwicklung der lateinischen Sprache zwischen 1300 und 1700 dürfte die Erfindung des Buchdrucks darstellen, dessen Auswirkungen auf die Entwicklung der lateinischen Sprache bisher noch wenig thematisiert worden sind. Viele der von Eisenstein(**) diagnostizierten Folgewirkungen des neuen Mediums dürften - sobald die neue Technologie entsprechend entwickelt war (z.B. griechischer Druck, Indizes) - direkten und weitreichenden Einfluß auf die Sprache selbst gehabt haben: die Möglichkeit zur nachhaltigen Wiederherstellung verdorbener antiker Texte (Barbaros Castigationes Plinianae) veränderte die Grundlage der Sprache, die explosive Verbreitung neuer Nachschlagewerke (Perottis Cornu copiae) vereinfachte die Erweiterung und Kontrollierbarkeit des Wortschatzes dramatisch, die ungeheure Verbreitung von Perottis Grundlehrbuch (Rudimenta grammatices) sorgte für eine (freilich keineswegs absolute) Standardisierung der Sprachausbildung selbst.
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Ein Beispiel, in dem verschiedene Parameter auftauchen, bietet archigrammateus. Das Wort ist im Griechischen zwei Mal nachweisbar, bei Polybius 5,54 und bei Plutarch, Eumenes 1,4. Im Lateinischen erscheint es, soweit bis jetzt bekannt, zum ersten Mal in Guarinos Übersetzung des Eumenes*** (1416-1418). Guarino translitteriert das griechische Wort und fügt erklärend princeps scribarum hinzu: (Eumenes) archigrammateus, idest scribarum princeps, uocabatur. Guarinos Übersetzung ist ziemlich erfolgreich (es gibt immerhin 25 Hss.) und seit Campanos Ausgabe von 1470 auch gedruckt; trotzdem taucht das Wort erst wieder am Ende des Jahrhunderts auf, als Philippo Beroaldo die Plutarch-Übersetzung in seinem Apuleiuskommentar verwendet (1500). Dort war das Wort über die Tabula uocabulorum, also den Wort- und Sachindex von Beroaldos Kommentar, leicht auffindbar. Diese Chronologie legt es nahe, nicht an eine direkte, sondern an eine durch Beroaldo vermittelte Rezeption der Plutarchübersetzung zu denken, wenn das Wort unmittelbar danach, am Anfang des 16. Jahrhunderts, mehrmals für 'Stadtschreiber' bzw. 'Kanzleivorstand' gebraucht wird, immer im Kontext des Humanismus nördlich der Alpen (Bebel, Chesserius, Rhenanus, Dasypodius). Im Rahmen einer Strömung unter den deutschen Humanisten dieser Zeit, in der gegen die dominante italienische Kultur angebliche griechische Wurzeln der deutschen Lateinkultur betont wurden, mußte ein solches Wort willkommen sein. Im Gegensatz dazu hatten italienische principes scribarum, wie etwa Bruni oder Poggio, keine Veranlassung gesehen, sich mit griechischen Titeln zu schmücken.
Der Beleg für archigrammateus aus Polybius wird, soweit ich aus dem mir vorliegenden Material sehen kann, erst viel später rezipiert. Zwar lag auch hier seit Perottis - oft gedruckter - Übersetzung von 1450/54 ein lateinischer Text vor, doch hatte Perotti eben Τύχωνα δὲ τὸν ἀρχιγραμματέα mit Tyconem scribarum principem übersetzt; das griechische Wort war bei Polybius also nur direkt aus dem griechischen Original oder aus griechischen Lexika zu gewinnen.
Dies ist nur eines von zahlreichen Beispielen für den Einfluß des Buchdrucks auf den lateinischen Wortschatz. Ebenso könnte man auf die Entwicklung von colophon hinweisen. Die Redewendung Colophonem addere war seit der Mitte des 15. Jahrhunderts aus Strabo auch dem nicht des Griechischen Mächtigen aus der populären Übersetzung von Guarino und Gregorio zugänglich, auch Festus verwies darauf, doch - soweit bis jetzt ersichtlich - ohne Resonanz. Erst als Erasmus das Sprichwort in den Adagia erklärt und auch sonst in seinen Schriften öfter gebraucht (besonders in den populären Colloquia), verbreitet sich der Ausdruck, zunächst im süddeutschen Raum, und gewinnt eine semantische Breite, die ihm ursprünglich nicht zu eigen war. Auffällig ist (oder ein Zufall meiner Datenbank ?), daß die Verbreitung auf den transalpinen Bereich beschränkt bleibt.
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(**) Elizabeth L. Eisenstein, The Printing Press as an Agent of Change (Cambridge 1979).
(***) Alle Angaben zu Plutarch nach freundlicher Auskunft von M. Pade. Die Belege für archigrammateus und colophon sind in der NLW unter den jeweiligen Lemmata angeführt.
Daß sowohl bei der Auswahl der Wörter als der Quelltexte letztlich oft subjektive Kriterien zum Einsatz kommen, braucht nicht weiter betont zu werden. So wird das Lemma componista, das als Fachterminus im LML vorhanden ist, wegen seiner nationalsprachlichen Verbreitung aufgenommen. Die Wortfamilie um barattarius, ein Phänomen u.a. der italienischen Kommunen im ausgehenden Mittelalter, habe ich aufgenommen, weil Salutati barattare verwendet; das Wort ist wohl mittelalterlich (und in vielen romanischen Sprachen zu finden), zeigt aber mit seiner einseitigen Belegung in der Renaissance, wie sehr man mit sprachlichen Randschichten rechnen muß, die sich im humanistischen Latein u.U. nur ganz vereinzelt konkretisieren, und einmal mehr, welchen unermeßlichen Einfluß die Divina Commedia auf das italienische Neulatein hat. Um diese Subjektivität einigermassen auszugleichen, werden die ausgewählten Lemmata in den Lexika des antiken und mittelalterlichen Lateins überprüft, sodaß der Leser wenigstens einen ersten Eindruck von ihrer Originalität gewinnen kann.
Die NLW ist ein Unternehmen meiner Freizeit. Sie wurde ursprünglich angeregt durch meine Mitarbeit am Thesaurus Linguae Latinae, München, und die Diskussionen am Kongress der IANLS in Toronto, 1988. Sie reflektiert nicht nur die hier entwickelten methodischen Leitlinien, sondern auch (und vor allem) meine persönlichen Vorlieben (und Wissenslücken). Ein Teil des Materials wurde zusammengestellt, bevor die erste Auflage von René Hovens Lexique de la prose latine de la renaissance (Leiden u.a. 1994) verfügbar war. Ursprünglich wollte ich Hovens Material systematisch mit dem meinen vergleichen. Inzwischen haben sich die beiden Lexika so weit auseinanderentwickelt, daß ein grundsätzlicher Vergleich nicht mehr sinnvoll ist. Im Einzelnen ist Hovens Werk natürlich immer noch unentbehrlich. Da es mir Zeitgründe erlauben, meine Sammlung nunmehr allmählich weiterzuführen, wollte ich das jeweils Vorliegende zugänglich machen. Für ein "work in progress" scheint mir das WWW als Forum besonders geeignet. Ich hoffe darauf, daß die Neulateinische Wortliste für Fachkollegen nützlich sein wird. Korrekturen von Seiten der Benützer wären mir sehr willkommen.
Zum Namen: Der Name dieses Projekts hat schon einige Abwandlungen erfahren. Ich habe mich jetzt für die Bezeichnung "Neulateinische Wortliste" entschieden; zwar sind im Deutschen sowohl "Wortliste" als auch "Wörterliste" geläufig, allerdings ist in der Lexikographie der deutschen Sprache als einziges Wörter-Kompositum "Wörterbuch" anerkannt, sonst gibt es nur Wort-Komposita.
Technische Voraussetzungen
Die HTML-Version der Neulateinischen Wortliste wurde mit verschiedenen Versionen von Internet Explorer®, Opera® und Mozilla Firefox® getestet. Die Lemmata sind in Unicode mit griechischen Glyphen (Extended Greek) kodiert. Zur Benutzung der Suchfunktion muß Javascript aktiviert sein (siehe WIN XP SP2).
Suche
Für einen Großteil der Datenbestände habe ich eine Suchmaschine implementiert. Es gibt drei Eingabefelder; die Lemmasuche durchsucht die Lemmata und deren orthographische Varianten, die Volltextsuche durchsucht die Lemmata und deren Varianten und den Eintrag von der ersten Bedeutungsangabe bis zum Ende der Zitate (jedoch nicht die lexikographischen und darauffolgenden Angaben), die Sigla-Suche durchsucht die Datei mit den Autoren und Werken. Die Suche ist für die folgenden orthographischen Charakteristika des Neulatein optimiert:
- Groß- und Kleinbuchstaben werden nicht unterschieden.
- 'J' und 'j' werden wie 'i' gesucht (die Suche für 'iam' finden auch 'jam', und umgekehrt).
- 'Y' und 'y' werden wie 'i' gesucht (die Suche für 'ypsilon' finden auch 'ipsilon', und umgekehrt).
- 'V' und 'v' werden wie 'u' gesucht (die Suche für 'ueni' finden auch 'veni', und umgekehrt).
- 'nm' und 'mm' werden nicht unterschieden (die Suche nach 'conmitto' findet auch 'committo' u.u.); dies gilt nicht für die Autorensuche.
- Die deutschen Umlaute können unverändert in das Suchfeld eingegeben werden ('ÄäÖöÜü'); bei anderen ist nur das (mühsame) Verfahren über die direkte Eingabe des entsprechenden html-Codes möglich.
Zusätzlich in der Volltextsuche:
- die Suche nach 'e' schließt 'ae' und 'oe' ein, die Suche nach 'ae' schließt 'e' und 'oe' ein (die Suche nach 'praesens' finden auch 'presens', und umgekehrt; die Suche nach 'celest' finden auch 'caelest' und 'coelest', ebenso 'caelest').
- 'oe' bleibt aber unabhängig (die Suche nach 'coelest' findet 'celest' und 'caelest' nicht; die Suche nach 'poet' findet 'PET' nicht).
-
Dies kann ausgeschaltet werden, indem man das Kästchen "exakt übereinstimmen" aktiviert; dann werden nur exakt übereinstimmende Buchstaben gefunden.
Die Geschwindigkeit ist je nach Browser und Internetanbindung unterschiedlich. Um die Suche zu benutzen, muß Javascript aktiviert sein. Abkürzungs- und Literaturverzeichnis können nur mit Hilfe der Suchfunktion des jeweiligen Browsers durchsucht werden.
Auswahl der Quelltexte
Die Quelltexte für die lateinischen Lemmata werden nach folgenden
Gesichtspunkten ausgewählt:
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Der maximale zeitliche Rahmen war durch die auf dem Kongreß der IANLS, Toronto 1988, ausgesprochenen Empfehlungen vorgegeben: 1300-1700. Dieser Zeitrahmen konnte natürlich nur für das italienische Neulatein gelten. Als ersten Autor hatte ich anfangs Dante exzerpiert, dessen De vulgari eloquentia von 1304/5 datiert; Dantes Latein ist allerdings in keiner Weise von den Bestrebungen des (noch in der Zukunft liegenden) Humanismus beeinflußt. Diskussionen mit Fachkollegen haben mich überzeugt, daß das auf Dante bezügliche Material - so ergiebig es lexikographisch auch ist - wieder aus der Wortliste zu entfernen ist. Für die humanistische Neuorientierung des Lateins haben nördlich der Alpen andere Grenzen zu gelten. In Deutschland faßt die neue Bewegung mit den Schülern Piccolominis am Wiener/Wiener Neustädter Kaiserhof (Johann Tröster), sowie mit Peter Luder und Albrecht von Eyb in der Mitte des 15. Jh. Fuß; in den skandinavischen Ländern treffen die Musen erst gemeinsam mit den Wittenberger Reformatoren ein. Der früheste Text Nordeuropas, der sich in meiner Materialsammlung befindet, ist das Chronicon Skibyense (bearbeitet bis 1534) von Poul Helgesen (1485-1534/39), der verschiedene Schriften von Erasmus ins Dänische übersetzte; wie weit das Latein dieses (nicht für die Publikation bestimmten) Textes unter den Einfluß der neuen stilistischen Normen kam, läßt sich allerdings ohne eingehendere Untersuchungen nicht definitiv sagen. Auch die Obergrenze von 1700 kann generell nicht mehr als ein willkürliches Datum sein (wie ein Blick in Kaisers Early American Latin Verse oder Helander 2004 zeigt); wo es sachlich geboten ist, habe ich auch spätere Beispiele angeführt (vgl. auresco, cocolates, institutionista).
- Geographisch waren keine Grenzen
vorgesehen, meine Auswahl strebt eine möglichst große geographische Diversifikation an.
- Es sollten Texte von möglichst vielen bedeutenden Humanisten berücksichtigt werden.
- Einige Schlüsselwerke der europäischen
Geistesgeschichte wurden berücksichtigt, wie Luthers Thesen,
Calvins Institutionen
und defensio, Zwinglis 67 Artikel, der 90. Brief Huttens, Vallas
Untersuchung über die Konstantinische Schenkung und seine Elegantiae, Polizianos Miscellanea, Perottis Cornu copiae etc.
- Textsorten: Neben den
eigentlich literarischen wurden auch Gebrauchstexte exzerpiert: Theologische
Traktate, philologische Kommentare u. ä., sodann
Geschäftsverträge, Steininschriften, Inschriften auf Bildern,
Signaturen,
etc.
- Griechische - Lateinische Wörter: Wie schon ein Blick in Hovens Lexikon klar machen kann, sind zahlreiche Neologismen dem Griechischen mehr oder weniger nahestehende Bildungen. Morphologisch ist hier keine eindeutige Grenze zu ziehen; ich lasse alle Wörter als lateinisch gelten, die wenigstens teilweise in lateinischen Buchstaben geschrieben sind (der absolute Grenzfall ist diabathericos). Dies erlaubt u.a. die Rekonstruktion umfangreicherer Wortfamilien (vgl. botanicus u.ä.). In solchen Fällen gebe ich manchmal auch Belege, die auf Griechisch geschrieben sind (vgl. philautia). In manchen Fälle versuche ich die Darstellung einer Wortfamilie dadurch zu komplettieren, daß ich auch nur auf Griechisch bezeugte Komposita aufnehme (z.B. grammatityrannus, grammatomastix, grammatismus).
Die Probleme der (klassischen) lateinischen Lexikographie mit griechischen Wörtern ist kurz zusammengefaßt bei: Jacques André, Emprunts et suffixes nominaux en Latin (Genève/Paris 1971) [Hautes études du monde Gréco-Romain, 4]. Das dort Gesagte ist im wesentlichen auch für das Neulatein gültig.
Exzerption der Lemmata
In den Empfehlungen von Toronto wurden zwei Arten von Exzerption vorgeschlagen:
direkt aus den Quelltexten und indirekt aus der Sekundärliteratur
(Hum. Lov., Indices, etc.).
In die NLW wurden vorrangig Exzerpte aufgenommen, die
direkt aus den Quelltexten stammen, da ja Auswahl und Interpretation der
Lemmata die eigentliche
lexikographische Arbeit darstellen; wo ich auf Sekundärliteratur zurückgreife, mache ich entsprechende Literaturangaben. Eine exzellente Demonstration der Möglichkeiten der Exzerption aus der Sekundärliteratur ist: R.J. Schoeck with Martina Rütt and H.-W. Bartz, "A Step Towards a Neo-Latin Lexicon: A First Word-List Drawn From Humanistica Lovaniensia", Teil I Humanistica Lovaniensia 39 (1990) 340-365, Teil II Humanistica Lovaniensia 40 (1991) 423-445 (ca. 600 Lemmata).
Auswahl der Lemmata
Das Prinzip der lexikographischen Singularität der Empfehlungen von
Toronto wurde nur mit einigen Modifikationen eingehalten. Lemmata wurden nach folgenden Kriterien aufgenommen:
- Das Lemma ist in den Lexika des klassischen Latein nicht enthalten.
Da sich die Lexika in der Regel
nach den modernen Ausgaben
richten, kann es durchaus vorkommen, daß ein Lemma als Neologismus
anzusehen ist, obwohl es für die Rennaissanceliteratur als klassisch
belegt gelten konnte. Ein Beispiel bietet philautia, wo das Wort bei Cicero auch in lateinischer Umschrift durchaus geläufig gewesen sein wird, während die modernen Editoren natürlich φιλαυτία schreiben (vgl. auch abditamentum; corallinus, das noch bei Georges als antik belegt ist); verschiedene Problematiken beleuchten coniectatorie, disputatiuncula, famulosus, infrugifer, informicatio, isonomia (an den beiden Cicero-Stellen sowohl lateinisch als auch griechisch geschrieben), inobscuro, mendaculum, omnifer, prosaicus, spiratus und uoluox (letzteres Wort hat - in anderer Bedeutung - im Italienischen überlebt). Ebenso ist zu bedenken, daß Lemmata in Werken vorkommen, die in der Renaissance als antik galten, während sie heute als mittelalterliche Pseudoepigrapha angesehen werden; dies gilt v.a. für die patristische Literatur und hier insbesondere für Hieronymus (vgl. lacticinium). Schließlich gibt es Passagen, die in einzelnen Details anders als im Thesaurus vorgeschlagen zu interpretieren sind (vgl. hierocomium, inabruptus).
contolero, -are: Ein Grenzfall ist das Zitat in MODRVSSIENSIS cons 4,19 Iccirco et ipse (apostolus) dicebat: "Si contolerabimus, et corregnabimus." contolerare ist in den Lexika nicht erfaßt, und der Editor der elektronischen Ausgabe, Jovanovic, konnte das Zitat, dem Kontext nach aus einem Paulus-Brief, nicht eruieren. Es handelt sich um II Tim. 2,12 Si sustinemus et conregnabimus. Zur Erklärung unserer Variante bieten sich verschiedene Szenarien an. Entweder der Humanist kannte eine Version mit contolerare (der Apparat der Beuroner Vetus Latina-Ausgabe kennt zwei Stellen, bei Chromatius und Rufin, an denen der Text si contoleramus et conregnabimus lautet), oder er zitiert die Version Augustins fehlerhaft aus dem Gedächtnis (in psalm. 32 ennar. 2 serm. 2,9) si tolerabimus, et conregnabimus. In letzterem Fall ist die Aufnahme in die NLW berechtigt. [Vgl. Epistula ad Timotheum II, ed. Hermann Josef Frede (Freiburg 1981) ad l.]
Ein weiterer Grenzfall sind jene Wörter, die zusammengeschrieben werden, obwohl sie semantisch keine Komposita, sondern separate Worte sind; diese nehme ich nur auf, wenn sich damit neue Typen manifestieren; reine Ortho- oder Typographica bleiben unberücksichtigt.
Unberücksichtigt bleibt also interexcusare in RHO Philipp § 105 p.120 Cum enim Imperator ille Theodosius, uti scelus suum alieni sceleris purgaret exemplo, Dauid Regis adulterium simul et homicidium interexcusandum obiecisset, inquiens quod nihilo setius propheta summus euasisset.
Enklitisches quoque in Vallas Briefe (ceterorumquoque coquinamquoque eaquoque eumquoque ipsiquoque meisquoque nemoquoque ... ) wird dagegen aufzunehmen sein, wenn die Neuausgabe diese Schreibweise aufrechterhält.
- Das Lemma ist in dieser Bedeutung (e. g. animitus,
edentulus, effloresco), Schreibweise (e. g. agnus, sanctus), oder Syntax (disquiro) nicht belegt.
- Schließlich werden auch Lemmata aufgenommen, die in den Lexika des klassischen Latein belegt sind:
- Wenn sie nur einen oder wenige Belege haben (e. g. epistolium,
eruditulus, fusim, inaccusatus).
- Wenn sie zwar antik nicht selten belegt sind, aber doch
lexikographisch auffallen, z. B. durch genus-spezifische Belegung (e. g.
nur in der Komödie, nur bei Kirchenschriftstellern, e. g.
cogitatus), nur spätantike Belege haben (conflictus, grossus),
durch chronologisch ungleichmäßige Verteilung oder durch sporadische Belegung (prodescessor). Dazu kommen Lemmata, bei deren Verwendung Humanisten (trotz antiker Belegung) zögerten (e. g. impiatus bei Luther und Budé). In
vielen dieser Fälle haben ich dem Lexikonnachweis
entsprechende Bemerkungen beigefügt (e. g. 'tarde, raro, apud Eccl.').
- Wenn die Lemmata (ungeachtet ihrer antiken Belegung) für die
Geistesgeschichte der Moderne von Bedeutung sind (e. g. forma parva, das Taschenbuchformat, industria,
modernus).
- Wenn das Lemma wegen seiner Affinität zu Romanica von Interesse
ist (deaurare, penosus).
- Wenn das Lemma zur Illustration des Wortfeldes dient (e. g.
vafritia antik,
vafrities nicht antik, ebenso lucubratio/lucubramentum, parochia aufgenommen wegen der Ableitungen, die zum Teil jüngeren Datums sind; contribulis antik sehr häufig, trotzdem aufgenommen als Kontrast zu contribulus).
- Wenn das Lemma in der hier dargestellten Periode umstritten ist oder besonders diskutiert wird (vgl. exemplarium).
Außer Betracht blieben Lemmata, die ausdrücklich als nicht
vorkommend gekennzeichnet werden, etwa in Bebels Comoedia de optimo
studio iuvenum oder Vallas De linguae Latinae
elegantia (darunter fallen auch Wörter wie surdulus und recalvatulus in eleg 1,7, epistulatiuncula in DECEMBRIO-A pol 3,27,68). Ebenso gehört vieles in Vallas apologi in diese Kategorie (vgl. apol I p.499 Sicut enim
non dicimus `librunculus' ita nec `libruncula' dici debet.). Doch was soll mit den Wörtern geschehen, die die ungebildeten Diener im selben Werk gebrauchen? Oder den Passagen, in denen sich Valla über Poggios vorgebliche linguistische Inkompetenz moquiert, indem er dessen Wortschatz nachahmt (anatarius, anserarius, turturarius) ? Die Grenze ist hier nicht immer klar, und so habe ich die unter cussinus zitierten Wörter aus Wimpfelings Isidoneus zugelassen, obwohl als 'nicht lateinisch' bezeichnet, weil sie zum Teil mittellateinische Wurzeln haben. Weggelassen habe ich bis jetzt den Jargon, mit dem der Hausmeister in Vives' Aedes legum den arglosen Besucher beindrucken will (VIVES aed 6-10). Der komische Effekt ist gewaltig (vgl. aed 11: Als der Reisende gegen das unverständliche Kauderwelsch des Hausmeisters protestiert, bekommt er als Antwort: "Quid ? ... Sumne arfatus te supersaeptiose?"), doch glaube ich nicht, daß man den zumeist aus Nonius und Varro entnommenen Wortschatz ('friguttio', 'fuat') als Neulatein bezeichnen kann. In dieselbe Kategorie gehört auch der in einem Pseudo-Altlatein 'kodierte' Brief in Baldes Tillius redivivus S.244f.; hier gibt es neben Wörtern wie indupetit und claricitabo auch Neubildungen wie disferitas, die aber - mit gutem Grund - folgenlos blieben.
Grenzfälle sind für mich Lemmata und Formen, die aus einem unfreiwilligen Mangel an Sprachbeherrschung entstehen und sich daher nicht wiederholen; ein Beispiel ist iubuisti für iussisti in LANGER Celtis epist 38 ubi me ex quodam doctore ... salvere iubuisti. Für eine vollständige Dokumentation des Neulatein wären sie sicher von Interesse.
Die Kategorie von Lemmata, die zwar antik häufig vorkommen,
im Neulatein aber selten, kann in Ermangelung von Vorarbeiten nur zufällig
erfaßt werden (z.B. odio, -ire, palmosus).
Eigennamen erscheinen in der Regel nicht in der NLW. Davon ausgenommen sind Herkunfts- und Sprachbezeichnungen (z. B. graecitare, Latinus). Aufgenommen werden auch Namen, die von mehr als prosopographischem Interesse sind. So habe ich Maomethes sowohl wegen der kulturhistorischen Bedeutung des Religionsgründers als auch wegen der zahlreichen, als Appellativa aufzufassenden Ableitungen aufgenommen. Die gesamte Bandbreite der möglichen Ableitungen habe ich für die norditalienischen Gonzaga demonstriert. Das Lemma Plantagenista kann solches zwar nicht für sich in Anspruch nehmen, schien mir aber als einzige bis jetzt in der NLW vorhandene Bildung auf -ista, die nicht 'Anhänger, Nachahmer von ...' bezeichnet (siehe den Index inversus), reizvoll. Vtopus schließlich erscheint als fiktive Wurzel eine Reihe von Lemmata (Vtopia, Vtopianus, Vtopiensis).
Metrische Fragen bleiben in der Regel unberücksichtigt; nur in Einzelfällen weise ich auf besondere Phänomene oder Schwankungen hin (z.B. unter tulipa).
Ein Problem sind die Druckfehler in den Ausgaben (bzw. Transkriptions- und Scanfehler in den elektronischen Texten), die häufig zu Neologismen führen. Sicherheit wäre hier nur durch umfangreichere Studien zu erreichen, die im Regelfall außerhalb meiner Möglichkeiten liegen. Wo mir die Druckfehler unbezweifelbar schienen, habe ich die entsprechenden Lemmata ignoriert, in anderen Fällen Kautelen beigefügt (vgl. caelius, fatatus).
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affabrefacio: Bei PONTANO Actius p.182 Videtur res sane riudicula, rara tamen et affabrefacta ist wohl eher mit Worttrennung affabre facta zu lesen; dies ist eine ganz unauffällige Fügung, vgl. BEMBO Aetna sig. A7v graeca numismata ... affabre facta, CORRER sat 4,81 Argentum affabre fusum.
au: Das schöne Au! in VAH! Au! icorum vita, mira TESTVDO, in Baldes De vanitate mundi, 67, Balde, Poemata, 1660, T.4, 126, transcr. CAMENA baldepoemata4_1.html, ist mit dem folgenden licorum zu aulicorum zu verbinden.
Catharinaliter - Catharinialiter: Der Druckfehler Catharinialiter für -naliter konnte vom Leser des Drucks von 1562 nicht ohne weiteres als solcher identifiziert werden; ich habe daher beide Formen aufgenommen.
comediarius, tragediarius: Die Adjektiva comediarius und tragediarius in Brunis Cicero novus, die sich in Vitis Ausgabe finden (BRVNI Cic p.426 donec per Roscium comediarium et Esopum tragediarium actores .... vocem ac gestum corporis emendavit), bleiben unberücksichtigt, solange ich keine Parallele dafür finden kann, zumal Campano, Rom 1470, fol.405r comediarum ... tragediarum hat.
comminitatio für comminatio: In
GVARINO ep 670 p.334 G. = p.232 S. iuvenem primum quidem pollicitationibus ac blandimentis, deinde commin[it]ationibus atque terrore ad se conatus allicere ist statt Garins comminitationibus mit Sabbadini comminationibus zu lesen, da Garin nur Sabbadinis Text wiedergeben will (vgl. Garin, Prosatori, S.1130).
corruptula für corruptela: HOTMAN-F ep p. 174 (1583) Urbes cursim lustrare ... quam diuturna morum illius regionis contagione in corruptulae periculum incurrere. HVNNIVS-Ae Calv iud p.165 Iudaicae corruptulae fuliginem.
destruo für destituo: ANON vitae pontif p.252 cum ferme omnes ab eo ad Henricum destruisset, ist destruisset wohl ein einfacher Kopierfehler für destituisse<n>t (nota auch -isset für -issent). Dies macht allerdings auch amplidus für amplus im selben Text, S.251, nicht besonders vertrauenswürdig.
factalis, -e: BORBON nugae 1540 carm ad Gryph p.2 Ergo tuo ex praelo factalis prodeat iste | ... liber ist fac talis zu lesen. Derselbe Fehler taucht einige Male in elektronischen Dantenbanken auf.
habundas, Adj.: AMERBACH-J ep 130 Non sum tam habundas, vt vobis proprium valeam tenere paedagogum. Hier wird man eher einen Schreibfehler Amerbachs o. einen Druckfehler der Edition statt einer genuinen Nebenform von abundans annehmen.
illiminatus: MACCOVIVS dist p.161 A propositione illimitatâ, ad limitatam non valet consequentia. Maior enim illiminata est ... ist entsprechend dem Kontext illimitata zu lesen.
inpernicies: CONVERSINI dil l.1356 ist in perniciem zu lesen.
pago, -are: CELTIS epist 6 (S.12 Z.37 Rupprich), quod multa perversa a principibus pagantur, ist wohl peragantur zu lesen.
perfligo, -ere: CASSANDER op p.1256 non aliam esse regionem, quae et graviora bella susceperit, et constantius, et fortius administraverit, et felicius, et gloriosius perfligarit, ist profligarit zu lesen.
psalmo, -are: Das Wort taucht im Druck von Heinrich Bebels Opuscula nova (Straßburg 1512) auf: deus o sanctissime percipe divum | Cantica, ...| Tu me psalmasti, me participemque polorum | Fecisti regnis (BEBEL opusc nov sig.Cc4r). Das ist wohl ein Buchstabendreher für plasmasti. Zwar verzeichnet LATHAM (s.v. plasma) psalmo für plasmo für das zwölfte Jahrhundert; doch konnte ich (noch) keinen Beleg dafür finden; DU CANGE hält psalm- für plasm- für falsch überliefert (s.v. plasmare). Die Stellen in elektronischen Datenbanken und alten Ausgaben, die in Zitaten von Psalm 118,73 psalmauerunt statt plasmauerunt haben, halten einer Überprüfung nicht stand; z.B. Bonaventura, De scientia Christi, quaest. 4 p.18 l.49 (CLCLT-5: psalmauerunt).
quatuor: Für quatuor in der Bedeutung von quater bei Anders C. Arrebo, ep 1 p.204 würde man sich gerne der Textgrundlage vergewissern; das Latein dieser Briefe ist allerdings auch sonst wenig elegant.
scelarissimus: Zu übergehen ist scelarissimis für sceleratissimis in Lapo da Castiglionchios Dialogus de curiae commodis, Pros. lat. del 400, S.204.
seminatim: Auf das Vorkommen dieses Wortes in TRANSYLVANVS molucc hat mich E. Wimmer, Salzburg, aufmerksam gemacht, deren kritische Ausgabe des Textes ich allerdings nicht einsehen konnte. Ein Vergleich der drei mir zugänglichen Drucke läßt eher an einen Druckfehler denken. Zwar hat der Druck des Cervicornus in Köln im Januar 1523 Aliud seminatim, aliud sponte prouenit. Sed quod seminatur nobilius est (sig.B6v). Doch der Druck von Minitius Calvus in Rom im November desselben Jahrs, der auf einer unabhängigen Textgrundlage beruht, hat Aliud seminatum, aliud sponte ... (sig.Eiir), einige Monate später, im Februar 1524, druckt derselbe Verleger Aliud seminat(ur), aliud sponte prouenit. Sed quod seminat(ur) ... (sig.D5r). Dies mag wohl die glaubwürdigste Variante sein. (Einige Informationen zur Textüberlieferung verdanke ich: G. Tournoy, "Il primo viaggio intorno al mondo di Magellano nella relazione di Massimiliano Transilvano", Camœnæ Hungaricæ 2 (2005) 79-92: 85).
susurror, -oris: Druck- oder Transkriptionsfehler für susurrones bei CAPRANICA-N fun Bess 12 p.411 M. Nec minus abhorrebat delatores, susurrores, rumigerulos.
tonitura, -ae: Die Form tonitura findet sich nicht selten in digitalen Texten, einige Male auch in gedruckten Ausgaben. Meist ist im Kontext eindeutig Neutrum Plural zu erwarten und daher tonitrua zu lesen. Doch gibt es auch Fälle, in denen theoretisch ein Ablativ Singular möglich wäre (Beispiele s.v.)
valedoctorius: In der valedoctoria von VD17: 125:041616K möchte ich eine valedictoria vermuten.
vaticolus: RONTO Dante praef 13. Die Transkription Franceschinis ist falsch, wie ein Blick in die beigefügte Abbildung der Hs. zeigt; zu lesen ist vaticulum.
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Lexikographische Relevanz der Lemmata
Verwendete Lexika (Abkürzungen hier)
Grundsätzlich können aus den unter 'Vorkommen' stehenden Angaben keine Umkehrschlüsse gezogen werden, d. h. wenn keine Angaben zur Belegung in anderen Lexika vorhanden sind, so bedeutet dies nur, daß ich diese (noch) nicht kontrolliert habe.
Als Maßstab für die lexikographische Bedeutsamkeit sind die entsprechenden Wortartikel des Thesaurus linguae Latinae grundlegend. Dort, wo der TLL noch nicht vorliegt, wurden zunächst Georges und Lewis & Short
herangezogen, in Fällen, wo es sich um ganz seltene, aber frühe
Belegungen handelt, auch OLD (e.g. screatus nur einmal belegt, bei
Terenz); hin und wieder wurde auch Forcellini angeführt. Seit dem Beginn der Arbeiten an der NLW haben sich die Zugriffsmöglichkeiten auf die Lexika des klassischen Latein und Griechisch stark verbessert; sowohl für TLL als auch Georges, Lewis & Short und LSJ gibt es elektronische Versionen, die eine rasche und in den meisten Fällen ausreichende Kontrolle ermöglichen.
Aus praktischen Gründen wird die mittelalterliche Belegung des Materials meist nur in LATHAM und NIERMEYER überprüft. Auf Grund des unübersichtlichen Druckbildes im DuCange war mir aus Zeitmangel eine Korrelation des NLW-Materials mit DUC bis jetzt in der Regel nicht möglich; dies, ebenso wie die eventuelle Korrelation mit anderen mittellateinischen Lexika, wäre noch zu leisten. In einigen Fällen kontrolliere ich die mittelalterliche Belegung mit CLCLT und PLD (dies kann naturgemäß nur den Wortgebrauch der dort vorhandenen Autoren und - im Falle der PLD - die Qualität der verwendeten Editionen widerspiegeln). Der Einfluß des Mittellateins auf die Sprache der Humanisten kann - abhängig von Zeit und Genus - variieren, ist aber wesentlich höher anzusetzen, als das dem Selbstverständnis der Humanisten entspräche (vgl. littera). Für das englische Latein hat diese Kontinuität umfassend LATHAM nachgewiesen, dessen word-list Material bis nach 1700 umfaßt.
Frühere Belegung: Für die Lexica, auf die ich ohne Zitat verweise, verwende ich in der Rubrik Lexicographica ein vierstufiges Modell:
Die Angabe TLL bedeutet, daß das Lemma in der in der NLW angeführten Bedeutung im TLL vorhanden ist, TLL* bedeutet, daß das Lemma vorhanden ist und ich die Übereinstimmung der Bedeutungen nicht kontrolliert habe (die größte Gruppe). Dies kann auch bedeuten, daß im TLL keine Bedeutung angegeben ist (z.B. adblandior, aggestio). Die Angabe TLL 0 zeigt an, daß das Lemma (gleich in welcher Bedeutung) im TLL nicht vorkommt. In solchen Fällen gebe ich manchmal verwandte Lemmata an, bei adjektivisch gebrauchten Verbalformen das Verbum o. ä (ein Beispiel unter celebrandus). Wenn eine einzelne antike Stelle in der Renaissance eine besondere fortuna hat, wird auf diese Stelle entweder hier (vgl. condecentia, incuriosus) oder direkt bei der Bedeutungsangabe hingewiesen (z.B. unter canalis I2b). GEORGES temporalis 0 bedeutet, daß zwar das Lemma selbst, nicht aber die in der NLW dargestellte(n) Bedeutung(en) im Georges vorhanden ist (sind); analog dazu bedeutet beim Lemma 'Aeschuleus' die Angabe TLL Aeschylus 0 (Aeschyleus), daß das Sublemma Aeschuleus dort nicht vorhanden ist; das in Klammer stehende Aeschyleus zeigt an, daß diese (orthographisch verwandte) Form dort belegt ist. TLL 0, pendo 0 bei caripendo bedeutet, daß weder das Kompositum noch die Junktur cari pendere unter pendo belegt sind.
TLL morticinum unter morticinium bedeutet, daß im TLL die Form 'morticinium' unter dem Lemma 'morticinum' aufscheint. Wenn zu einer Bedeutung '0' vermerkt ist, z.B. (zu 2) GEORGES 0, so gilt natürlich ex silentio, daß das Lemma selbst im entsprechenden Wörterbuch vorhanden ist.
Daß ein Wort im klassischen Latein fehlt, wird auch dann angegeben, wenn das Wort aus naheliegenden Gründen noch nicht existieren konnte (z.B. Guidonista, Lutheromastix).
Eigennamen: Da diese im TLL ab E fehlen, gebe ich die Belegung hier nach GEORGES (z.B. Fatuellus).
Zum Thesaurus formarum (TF): Wenn unter Lexicographica der TF genannt wird, so bezieht sich dies natürlich nur auf das Lemma bzw. dessen flektierte Formen, nicht auf die Bedeutung (die im TF nicht angegeben wird).
Die Grundsprache der NLW
Ursprünglich wollte ich als Grundsprache der NLW Latein verwenden, zumal ich mit der notwendigen Terminologie in lateinischer Sprache besonders vertraut bin. Dies hat sich jedoch nicht als generell praktikabel herausgestellt. Der Nutzen ist oft gering, weil die Bedeutungsangaben zum Tautologischen tendieren. Ich habe mich also für das Deutsche entschieden, und übersetze in mir notwendig erscheinenden Fällen auch längere Passagen (z. B. hierographia). In einzelnen Fällen verwende ich auch frühere Übersetzungen (diese werden entw. beim Lemma oder in der Sigelliste angegeben). Daneben verwende ich weiter das Lateinische sowohl für Bedeutungsangaben als auch sonst, wo ich glaube, daß es zum Verständnis dient. Ältere Wortartikel werden nach und nach revidiert.
Ein Großteil der Wörterbuchartikel ist während der sog. 'Rechtschreibreform' des Deutschen entstanden, deren in Aussicht genommene Regeln in ihren Extremen zu ästhetische geringwertigen und logisch wenig befriedigenden Schreibweisen veranlassen wollen. Damit der deutschen Komponente der NLW eine gewisse Konsistenz erhalten bleibt, richte ich mich im Zweifel nach Theodor Ickler, Das Rechtschreibwörterbuch, 3. Auflage (St. Goar 2001).
Die Teile des Wortartikels
- Lemma: Schreibweise sowohl die durch die Wörterbücher standardisierte (soweit vorhanden), als auch die Schreibweise in den zitierten Quellen
(e. g. deverticulum / div-); dies erleichtert die Identifikation; orthographische Varianten werden parallel angegeben und erscheinen auch in der Lemmaliste (linkes Fenster des Bildschirms) (apsicorus, cupidinarius, disculus).
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Formen und weitere Angaben: Bei Substantiven Angabe des Genetivs, bei Adjektiven Nominativ fem. und neutr. (e. g. brutalis) oder Genitiv (e. g. attinens), bei Verben Infinitiv Praesens aktiv, die Perfektformen nur soweit belegt (kein Perfekt e. g. bei audio, argutor). Dazu bei Substantiven das grammatische Geschlecht, bei Adverbien 'adv.', u. ä. Dabei handelt es sich in vielen Fällen, in denen ein Wort nur in einer flektierten Form nachweisbar ist, um Rekonstruktionen mit einem unterschiedlichen Grad von Unsicherheit.
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Andere Angaben: Wo notwendig, etwa die Etymologie (e. g. permaximus von per und maximus, nicht Superlativ von permagnus, persane von per und sane, nicht Adverb zu persanus), oder das griechische Äquivalent (e. g. apsicorus von ἁψίκορος). Hier stehen auch umfangreiche Diskussionen zu Bedeutung, Wortbildung (deuito) oder Stilistik (doctiloquus), Bedeutungsangaben, die sich auf mehrere Gruppen beziehen (vgl. 1. solarium, stupidus), u.ä.
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Bedeutung: Angabe auf deutsch, manchmal auf lateinisch (besonders wo dies zum Verständnis der Etymologie dient); dabei ist es nicht immer möglich, präzise Synonyme in beiden Sprachen zu finden (e. g. academia = Universität, campana, cerevisia, imprimere). In Fällen, wo nur syntaktische Neuerungen vorliegen, wird keine Bedeutung angegeben. Wo notwendig, erfolgt die Angabe von syntaktischen Auffälligkeiten.
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Die mit NLW EXCERPTA links markierten Lemmata enthalten chronologisch geordnete Exzerpte aus dem vorhandenen Material ohne semantische Angaben. |
Belege:
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Belegstelle: Autor und Werk mit Siglen (zur Sigelliste v.
unten).
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Text: Meist wird mehr Text gegeben, als unbedingt notwendig
wäre, da die zitierten Texte vielfach nur mit einem gewissen Aufwand
greifbar sind, und das Zitat daher eine möglichst umfangreiche Information bieten sollte (z. B. wäre es bei academia = societas litteraria ausreichend, als Text 'Olympicorum -a' zu zitieren; das längere Zitat wurde gegeben, da der Kontext der Inschrift im Teatro Olimpico in Vicenza für viele Benützer nur schwer eruierbar wäre. Ähnlich e. g. bei aureatus).
- Anzahl der zitierten Belege: Wenn ich nur wenige Belege habe, werden sie alle angeführt. Ansonsten gebe ich eine Auswahl, die die Verteilung in meinem Material widerspiegelt. In manchen Fällen, in denen ich die Dokumentation für relevant halte, versuche ich die Verwendung eines Wortes vollständig zu dokumentieren, auch wenn dies semantisch uninteressant ist (z.B. die Belege für academia und neacademia bei ALDVS). Auf Grund des zufälligen Charakters eines größeren Teils meines Materials und seiner extrem schwankenden Qualität (Scanfehler!) dokumentiere ich die Auswahl im Einzelnen nicht (wie das etwa im TLL geschieht). Auch ist zu berücksichtigen, daß die Auswahl auf dem Umfang meiner Materialsammlung zum Abfassungs- oder Revisionszeitpunkt des NLW-Eintrags beruht (weitere Auskünfte gebe ich gerne, Adresse hier).
Wenn in meinem Material sehr viel mehr Belege vorhanden sind als angeführt werden, schreibe ich am Ende der Gruppe al. oder saepe. Dies bedeutet, daß es bei einem der zitierten Autoren, nicht unbedingt beim zuletzt zitierten, oder bei anderen, Beispiele gibt, die in dieselbe Gruppe gehören würden. Wenn ich al. bei auffallend einseitiger Belegung weiter spezifizieren will, so schreibe ich al. ap. eundem (andere Beispiele beim selben Autor) oder al. ibid. (andere Beispiele im selben Werk).
Abschließendes:
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Lexicographica: Die lexikalische Qualifikation der Bedeutungen bzw. von
eventuellen syntaktischen Phänomenen (siehe oben).
- Verwandte Begriffe: Soweit vorhanden, werden im NLW enthaltene
verwandte Begriffe angegeben (e.g. modernus, impressor; s.u., "Lemmagruppen").
- Nummer und Datum: Jedes Lemma ist mit Nummer und Datum versehen. Sie geben die Stadien der Bearbeitung an. Das früheste Datum ist der 27.02.03, das Datum des Beginns der jetzt angewendeten Numerierung.
Typographie und Interpretationshilfen
Als kursiver Text werden alle Textelemente ausgezeichnet, die vom Bearbeiter
stammen, also nicht aus dem Originaltext entnommen sind (ich bin dabei ungefähr dem
Gebrauch des TLL gefolgt). Auch Werktitel werden kursiv angegeben; dies sichert in den Fällen, in denen auf den Titel keine weitere Stellenangabe folgt, den Unterschied zwischen Werktitel und Zitattext.
Innerhalb des Zitattexts wird die Auslassung von nicht relevanten Textteilen ungeachtet ihres Umfangs mit ... gekennzeichnet. Bei Versen wird die Position des Lemmas im Vers durch die Angabe des Versanfangs bzw. -endes mit | bestimmt. Vom Lemmawort habe ich ursprünglich nur die Endung angegeben; dies kann allerdings zu Unsicherheiten über den von mir tatsächlich benutzten Text führen. Ich schreibe nunmehr auch das Lemma aus; ältere Wortartikel werden nach und nach revidiert.
Im Zitat wird die Orthographie der jeweils benutzten Vorlage beibehalten; die sich daraus ergebende Uneinheitlichkeit und Originalnähe schien einer klassizistischen Vereinheitlichung und Vereinfachung vorzuziehen. Die Interpunktion wird oft geändert, um die Verständlichkeit des Zitats zu sichern.
Des öfteren waren an einer Stelle mehrere lexikographische Notabilia vorhanden; dann wurde der Text an einer Stelle länger ausgeschrieben, unter den anderen Lemmata dorthin verwiesen (e. g. dissitus, summanus).
Index inversus
Der unvermeidliche Nachteil der alphabetischen Anordnung der Lemmata ist, daß die sich über Suffixe artikulierenden Präferenzen in Wortbildung und Wortwahl nicht dargestellt werden. Für das Latein der Antike gibt es Otto Gradenwitz, Laterculi vocum latinarum, Leipzig 1904 und Roberto Busa, Totius latinitatis lemmata, Milano 1988. Analog dazu, wenn auch in wesentlich geringerem Umfang, erlaubt der 'Index inversus der Lemmaformen' die rasche Orientierung über die im Latein des Humanismus populäre Wortformen (-archa, -logia, -mastix, -culum, -culus etc.). Der mit den Nachbarlemmata übereinstimmende Teil des Wortendes wird farbig kodiert. Diese Kodierung wird teilweise automatisch hergestellt, daher sind die Markierungen sprachwissenschaftlich nicht immer sinnvoll.
Lemmagruppen
Usprünglich wollte ich über die Rubrik "Synonyma" auf semantisch verwandte Worte in der NLW aufmerksam machen. Dies wird jedoch rasch unübersichtlich und repetitiv, wenn die Zahl der "Synonyme" zu hoch wird. Ich versuche daher nun, neben der Lemmaliste und dem Index inversus eine dritte Ansicht der NLW über "Lemmagruppen" zu erarbeiten. Sie sollen semantische Bereiche illustrieren, die im Humanismus besondere Bedeutung haben; so zeigt ein Blick auf die unter 'Magie' gesammelten Lemmata, wie unglaublich groß das Interesse in der Periode (auch jenseits der 'Fachliteratur') an magischen Ritualen war. Im Gegensatz zu den anderen Ansichten werden die "Lemmagruppen" niemals alle Lemmata erfassen, sondern nur solche, die sich sinnvollerweise zusammenfassen lassen und nicht im Alphabet aufeinander folgen. Zunächst habe ich aus dem bereits vorhandenen Material einige Sachgruppen ("Magie", Buchdruck", u.a.m.) isoliert, weitere sollen gezielt aufgebaut werden.
Sigelliste
Sie enhält in alphabetischer Reihenfolge nach den Sigla der Autoren alle benützten Werke. Die Autoren- und Werksigeln habe ich ursprünglich in etwa nach dem Vorbild der Beuroner Sigelliste für die Vetus Latina gebildet. Dies hat sich jedoch nicht bewährt, da viele Sigeln nicht aussagekräftig sind und die Platzersparnis bei einer elektronisch gespeicherten Datenbank nicht im Vordergrund zu stehen braucht. Ich gehe jetzt nach und nach dazu über, bei kürzeren Eigennamen auf Abkürzungen zu verzichten, bei längeren möglichst klare Abkürzungen zu bilden; auch ältere Abkürzungen werden geändert (z.B. bei Sebastian Brant 'BRA' zu 'BRANT'). Gleichnamige Humanisten bezeichne ich regelmäßig mit 'mai(or)' und 'min(or)' (z.B. die beiden BARBARO-H; auch solche, die in der Literatur mit 'senior' und 'iunior' bezeichnet werden); dies hat den Vorteil, daß in der Sigelliste chronologische und alphabetische Reihenfolge übereinstimmen. Anders als Hoven gebe ich grundsätzlich (also auch für sonst völlig unbekannte Schriftsteller) den Verfassernamen an - nicht zuletzt deshalb, weil ich dann die literaturgeschichtliche Relevanz von (mir unbekannten) Autoren nicht zu beurteilen brauche (Ausnahmen: ACADEMIA Gust, ARCH).
Wo möglich wird ein Anhaltspunkt für die Chronologie beigegeben (Lebenszeit, Entstehungsdatum, Abfassungszeit, o. ä). Die Zitate im Artikel folgen nach Möglichkeit der Chronologie; jedoch werden Beispiele aus demselben Autor normalerweise zusammengehalten.
Firefox 2-Benützer, Achtung!: Jedesmal wenn man auf einen Autornamen in der rechten Spalte klickt, sollte das Popup-Fenster mit den Informationen in den Vordergrund kommen. Dieses Verhalten muß bei Firefox 2 explizit erlaubt werden, indem man in "about:config" den Eintrag "dom. disable_window_flip" auf "false" setzt (Tip von oxodesign in www.sitepoint.com/forums/showthread.php?t=486443). Für Opera 9 habe ich keine Lösung gefunden.
Abkürzungsverzeichnis und Literaturverzeichnis
Sie enthalten alle in der NLW verwendeten Abkürzungen (soweit sie
nicht in der Sigelliste erklärt werden), bzw. die in der NLW zitierte Literatur (mit Abkürzungen).
ZUM SEITENANFANG
Zuletzt verändert am 27.2.2011.
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